Wichtig war mir auch schon seit langem, über meine Kindheit und Jugend in der DDR zu berichten, da viel Negatives in den Medien berichtet wurde und noch immer wird. Dieser Bericht betrifft natürlich nur mich und ist so geschrieben, wie ich es in meinen Erinnerungen kenne, auch wenn es sich für manche kindlich naiv anhören mag.



Ich wurde 1968 in der DDR geboren. Aus meinen ersten Kindheitsjahren weiß ich eigentlich nichts. Wir wohnten in einer kleinen Stadt im Land Brandenburg. Meine Mutter erzählte, dass ich früh in die Kinderkrippe gehen musste und oft krank war.
Dann zogen wir nach Mecklenburg-Vorpommern. Wir wohnten dort in einer Doppelhaushälfte. Ich weiß noch, dass es dort eine schwarze Katze gab, vor der ich riesige Angst hatte. Auch vor einem Gewitter, das ich bewusst erlebt habe. Lustig war immer, wenn wir in der oberen Etage Murmeln in die Lamellen des Ofens geworfen haben und diese in der unteren Etage aus dem Ofen wieder heraus kullerten.
Da es meinen Eltern dort nicht gefiel, zogen wir in ein Dorf (Land Brandenburg). Schnell lernte ich dort die Kinder kennen. Ich besuchte den Kindergarten. An besonders Schlechtes oder besonders Gutes kann ich mich nicht erinnern. Das Einzige woran ich mich erinnere ist, dass ich öfter im Waschraum auf meiner Liege liegen musste, weil ich nicht schlief. Besonders gefiel mir die Vorschule. Da ich hatte auch schon meine erste eigene Federtasche.
1974 wurde ich eingeschult in die TOS in unserem Dorf (1.-4. Klasse) und trug einen, extra in Leipzig gekauften Anzug. Meine Lehrerin fand ich total gut. Irgendwann wurde ich ein Jungpionier. Die Pioniernachmittage waren immer eine nette Abwechslung, mal besuchten wir verschiedene Betriebe, sammelten Altstoffe. Besonders interessant war für mich Juri Gagarin, der ins Weltall flog. Ich sammelte alle Berichte dazu und legte einen Hefter für die Schule an. Auch besuchte ich den Hort, ob gern oder nicht, weiß ich nicht mehr, nur dass ich die Horterzieherin nicht mochte. Aber wir haben auf den kleinen Elektrokochherden Salami gebraten oder Brot, was richtig lecker war. Das einzig Negative in meiner Grundschulzeit war, dass unsere Lehrer immer unsere Teller beim Abräumen kontrollierten und wenn ich darauf das fette Fleisch hatte, welches ich bis heute absolut verweigere, dann musste ich zurück an den Tisch und dieses aufessen. Das ging solange, bis meine Mutter sich in der Schule beschwerte.
Wir, die Dorfkinder, spielten oft "Lange Nase", "Völkerball", "Länderklauen", "Verstecken" usw.. In der nahe gelegenen Müllkippe fanden wir immer tolle und für unser Spiel nützliche Dinge, bauten dort auch Buden. Im Winter fuhren wir mit unseren Schlitten oder Ski dort hinein, nachdem die Jungs eine Sprungschwanze gebaut hatten. Interessant waren für uns auch der Friedhof und die Bunker im Wald.
Ab der 5. Klasse musste ich täglich mit dem Bus in die nächstgelegene POS (5.-10. Klasse) fahren. Im Winter mussten wir oft im Kalten stehen und auf den Bus warten (1/2 Stunde war völlig normal), manchmal bekamen wir Bescheid und durften nach Hause gehen.
Ansonsten kann ich nur sagen, dass ich noch mit 12 Jahren Kind sein durfte. Gern bin ich mit meiner Puppe im Puppenwagen durch`s Dorf gegangen. Ich habe oft Reporter gespielt , in dem ich durch das Dorf radelte und aufschrieb, was ich sah. In unserer Garage konnte ich mit meinem eigenen kleinen Werkzeug bauen. Zu Hause habe ich oft Kinderkrippe gespielt. Mit meiner Schwester schlüpften wir gern in verschiedene Rollen, um Märchen zu spielen. Auf dem Dachboden, auf dem Sachen von vier Familien aufbewahrt wurden schmökerten wir gern und fanden interessante Dinge.
Unsere Eltern erfüllten uns, so gut es ging, unsere Wünsche. Wir bekamen oder besaßen, neben dem üblichen Spielzeug, eine Laufpuppe, eine Sprechpuppe, eine Puppenwaschmaschine, welche richtige Programme hatte, eine Kindernähmaschine und so weiter. Zu Weihnachten bekamen wir oft Puzzle, Süßen Speck, Eiskonfekt und anderes Naschzeug aus dem Westen. Woher das genau kam, kann ich nicht sagen. Aber wir freuten uns genauso über die `Ostsachen` wie über die `Westsachen`. Zu Weihnachten habe ich die Zubereitung von Bratäpfel sehr gemocht, die wir in unserem Kachelofen machten.
Wenn die Zeit der Jugendweihe war, freuten wir uns schon immer auf die leckeren Kuchenstücke, die wir bekamen, wenn wir die Glückwünsche zu den Jugendlichen brachten. Im Fernsehen sahen wir gern Professor Flimmerich, wo oft russische Märchen gezeigt wurden, aber auch Heidi, Biene Maja, Spuk unterm Riesenrad usw.
Natürlich gab es zwischen uns Kindern auch Streitereien und Hänseleien, die manchmal sehr verletzend waren..

Sehr gern habe ich Lakritzstangen, Stieleis und Anisbonbons gemocht, die es irgendwann plötzlich nicht mehr gab.
In den Ferien fuhren wir Zelten, ins Gebirge oder an die Ostsee. Obwohl ich eigentlich erst nicht ins Ferienlager fahren wollte, gefiel mir diese Zeit ganz gut. Den letzten Ferienlagerbesuch verbrachte ich in der Tschechoslowakei.
Die Ferienzeit verbrachte ich oft bei meiner Oma an der Ostsee, wo auch meine Cousine lebte. Dort war es auch meistens schön, aber auch anders, denn wenn wir nicht hörten, drohte uns meine Oma mit der Kelle. Die Pelle auf der Milch musste ich mittrinken und solange am Tisch sitzen, bis mein Teller leer war. Das Gute an den Ostseebesuchen war, dass ich dort Salmiakpastillen kaufen konnte, die es bei uns nicht gab. Besonders freute ich mich darüber, dass die meisten Kinder diese nicht mochten und ich die allein essen konnte! Und wenn ich wieder zu Hause war, sprach ich noch Wochen lang den Dialekt von der Ostsee. Bei meiner anderen Omi war ich sehr gern. Schon allein, weil ich mit meiner vier Jahre älteren Tante spielen konnte. Am liebsten spielten wir kleiner Opa und große Oma. Das heißt wir sprangen total wild auf Omis großes Doppelbett herum. Das Haus, indem meine Oma wohnte hatte viele Nischen und um auf die Toilette zu kommen musste man über den Hof. Deshalb durften wir uns abends oder in der Nacht in einen Eimer entleeren.
Wir zogen 1981 in eine Kleinstadt. Dort gewöhnten wir uns schnell ein und hatten bald Freunde. Ich war damals ganz froh in die Klasse zu kommen, in der Kinder aus den umliegenden Dörfern waren. Denn in den Parallelklassen waren die Mädchen schon viel weiter entwickelt und nicht mehr so kindlich. Auch bei mir änderten sich langsam die Interessen. Ich begann mich mehr für die Jungs zu interessieren, hatte bald mal den einen , mal den anderen Freund.
Als Pubertäre mekte ich kaum, dass es bestimmte Nahrungsmittel oder andere Dinge schwer zu bekommen waren. Denn dadurch, dass meine Mutter Fahrkarten verkaufte, kannte sie viele Leute. Sie bekam Obst, brauchte sich nicht beim Bäcker wegen frischem Brot anstellen. Beim Fleischer bekamen wir den Schinken heimlich ins Wurstpaket eingewickelt, obwohl die Verkäuferin laut zu uns sagte, dass es keinen Schinken gibt. Sogar Schokoküsse brachten uns die Busfahrer von ihren Fahrten mit. Von irgendwelchen Bekannten bekam meine Omi des Öfteren Westpakete mit abgetragenen Sachen. Wir freuten uns riesig, wenn meine Tanten diese nicht wollten, weil wir sie dann bekamen und die auch trugen, egal ob die Hosenbeine zu lang waren oder nicht. Manchmal kauften wir auch für teures Geld im Delikat ein, wie z.B. Nutella, Trinkfix oder Scheibenkäse.
Später wurde ich ja auch bei den FDJ-lern aufgenommen, aber hier war mein Interesse eher gering. Das Unterrichtsfach Staatsbürgerkunde fand ich auch total langweilig. Irgendwann durfte meine Mutter zu Verwandten in den Westen reisen. Sie war so überwältigt von dort, dass sie uns fragte, ob wir dorthin ausreisen wollen. Das lehnte meine Schwester und ich völlig ab. Wir waren zufrieden und glücklich. In der Schule hatten wir keine Probleme, schwänzten manchmal einzelne Unterrichtsstunden, machten Schabernack, lasen Westzeitung, rauchten heimlich auf dem Schulhof. Natürlich kam auch Neid auf, wenn meine besten Freundinnen Westklamotten trugen, also nagelneue, obwohl sie ja keinerlei Beziehungen zum Westen haben durften, da ihre Eltern Angehörige der NVA waren.
Kurz vor dem Abschluss der 10. Klasse bekam meine Mutter Besuch von meiner Lehrerin, die ihr erklärte, dass ich die 10. Klasse mit Eins abschließen könnte, mir aber reichte meine Zwei. 1984 begann ich meine Ausbildung zur Krippenerzieherin. Ich war ganz stolz, weil ich eine von vielen war, die dafür ausgewählt wurde. Insgesamt wurden von 4 Klassen nur zwei für diese Ausbildung ausgesucht. So begann ich meine Ausbildung. Am besten gefiel mir die Praxis. In der Fachschule fand ich das Fach Marxismus-Leninismus schrecklich und ich verstand erst nach zwei Jahren, was die mit Sein und Bewusstsein meinten. Warum wir russische Vokabeln lernen mussten, weiß ich nicht, denn die Kleinen lernten ja alle die deutsche Sprache. In der Fachschule bekamen wir dann mit, wie Mitschülerinnen, welche nicht in der FDJ waren, bedrängt wurden dies nachzuholen. Ich persönlich fand völlig egal, ob jemand nun in der Kirche oder FDJ-Mitglied war.
Ich war auch Mitglied in der DSF (Deutsch-sowjetische Freundschaft), weshalb weiß ich nicht. An irgendwelche Veranstaltungen kann ich mich nicht erinnern, nur dass ich DSF-Beiträge bezahlte. Wahrscheinlich, weil es einfach so war.
Das letzte Ausbildungsjahr, also 1986 machte ich in Potsdam. Ich wählte diesen Weg, weil man automatisch in dem Ort, wo man die Ausbildung abschloss, bleiben musste. Die Vorstellung, mein Leben lang in dieser kleinen Stadt zu leben, war für mich furchtbar und mein Ziel war irgendwann in Berlin zu wohnen. Zur damaligen Zeit hatte ich einen Freund, welcher bei seinen Eltern in Potsdam wohnte. Sie machten den Vorschlag, dass ich bei ihnen einziehen könnte. Also nahm ich den Vorschlag an. Obwohl beide in der Partei waren, waren sie äußerst nette und angenehmen Leute. Mein damaliger Freund wollte von Partei nichts hören. Ich weiß nicht mehr wann, aber es kamen zwei Menschen zu ihm und wollten ihn für die Stasi anwerben, was er aber ablehnte. Ansonsten sparte ich monatlich Geld von meinem Stipendium, um mir manchmal Kleidung aus dem Exquisit zu kaufen. Ich liebte Samtpullover oder Knöchelturnschuhe mit Klettverschlüssen.
Da wir schon mitbekamen, dass Kinderbücher und Kinderbettwäsche sehr schwer zu bekommen waren und ich schon einen Kinderwunsch im Kopf hatte, kaufte ich solche Sachen. Oft wurde durch Mundpropaganda erzählt, dass es in bestimmten Läden zu bestimmten Zeiten bessere Sachen, wie Jeans zu kaufen gab. So machten wir uns dann auf den Weg und hatten manchmal auch Glück.
An was ich mich noch erinnere, dass ich zu Weihnachten eine Honigmelone geschenkt bekam. Ich kannte so etwas nicht, freute mich aber, weil es etwas ganz besonderes war. Also schnitt ich sie auf, aß sie und ekelte mich, weil die überhaupt nicht schmeckte. Erst mit über 40 überwand ich meinen Ekel und probierte erneut ein Stück Honigmelone und sie schmeckte! Wahrscheinlich war die von damals überreif.

Anfang 1989 stellte auch mein Freund die Frage, ob ich mit ihm zusammen abhauen würde (also in den Westen), aber ich wollte nicht. Unsere Beziehung, die schon einige Zeit nicht mehr so gut funktionierte, bröckelte zunehmend. Bei Diskobesuchen lernte ich meinen Mann kennen. Hier sei nur kurz erwähnt, dass man unbedingt Beziehungen oder gute Freunde brauchte, um in die Disko zu kommen. In Potsdam konnte es passieren, dass man zwei Stunden auf den Einlass wartete, nicht hinein kam und dann doch woanders hinging.
Wir besuchten einige Male die Demos vor dem Mauerfall, was wir dann aber ließen, da ich schwanger war und es uns zu gefährlich wurde. Am Tag des Mauerfalls musste ich lange arbeiten. Am Vormittag kam mein Mann völlig freudig zu mir auf die Arbeit und erzählte, dass er in Westberlin war. Er brachte mir eine Lakritzschnecke mit. Hurra!! Viele Eltern holten ihre Kinder erst spät aus der Kita ab.
Eigentlich wollten wir dann am Wochenende nach Westberlin fahren, ließen es aber, da an der Grenze ein unendlich langer Stau war. Wir probierten es erst ca. 4 Wochen später wieder. Auch ich hatte dann meine ersten 100 DM. Wir fuhren einfach irgendwohin, bestaunten alles. Es war schon überwältigend, allein schon die Vielfalt, Farben und Gerüche in den Märkten und Läden. Mein Geld wollte ich erst einmal nicht ausgeben, weil ich dachte, wenn die die Grenzen wieder zu machen, dass ich dann wenigstens noch Westgeld haben würde.